In einem Leben wie diesem

New York, 1912: Der Traum vom “Gelobten Land” ist für Adrian in greifbare Nähe gerückt. Seine Freunde und er haben eine Bar gekauft, die nicht nur Reichtum verspricht, sondern für sie auch ein Zufluchtsort sein soll. Doch dann geraten sie in Schwierigkeiten. Adrian droht unter dem Druck zusammenzubrechen. Wird er seinen Traum vom Glück aufgeben?

Übersetzt von Stefan Häring und Verena Kiefer.

Auch als Taschenbuch erschienen.

Auszeichnungen

Kinder- Und Jugendbuchliste Sommer 2008 (Saarländische Rundfunk)
Bestenliste Jury der jungen Leser 2009 (Österreich)

Ausschnitt

Der Verkauf fand in einer großen Lagerhalle am Hafen statt. Bevor wir hineindurften, mussten wir uns in eine Liste eintragen und bekamen eine Nummer. JoAnne gab schnell einen falscher Namen an, und als Herr und Frau Parker setzten wir uns auf die unbequemen Holzstühle. Auch die anderen Leute, die zu dieser Veranstaltung kamen, gehörten nicht gerade zur Oberschicht der New Yorker Bevölkerung. Sie betraten die Halle wie ein billiges Theater, redeten lebhaft und rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Sie stanken und der Lärm, den sie machten, schien von den Wänden widerzuhallen. Sie schrien einander alles Mögliche zu und taten, als wüssten sie über alles Bescheid: was verkauft werden sollte, von wem es war und warum es von der Polizei zum Verkauf angeboten wurde. Ich haste diese Massen.
Hinten in der Halle standen zwei Männer mit Zylindern und Monokeln. Sie waren die einzigen, die aussahen, als würden sie wirklich etwas ersteigern wollen. lhnen war es wahrscheinlich egal, was genau sie kauften. Sie würden Möbel und Hausrat in billige Häuser stecken und diese zu einem hohen Betrag an neue Immigranten vermieten. Es war egal, ob es sich um ein Bett handelte, in dem jemand an TBC gestorben war, oder einen Tisch, auf dem jemand seine Frau in Stücke gehackt hatte.
»Sie verkaufen heute auch den Koffer, in dem Antonio Pellucci nach dem Überfall das Geld versteckt hat«, rief eine Frau mit schriller Stimme zu ihrer Nachbarin.
»Der misslungene Banküberfall von letztem Monat?« Ich konnte die Frau nicht sehen, aber ich war mir Sicher, dass sie nickte. Ich hatte von dieser Geschichte gehört. Die Gäste in The Cat hatten darüber geredet. Antonio Pellucci war der Neffe eines der vermutlich größten Mafiosi in der Stadt und er und seine Kumpane hatten eine Bank in der 3rd Avenue überfallen. Man hatte ihnen allerdings aufgelauert – eine andere Bande wollte sie bestehlen, sobald sie nach draußen kämen. Aber offensichtlich hat­te jemand von dieser anderen Bande Antonios Onkel einen Tipp gegeben, denn auch der stand mit seinen Männern bereit, um Antonio zu helfen. Es war auf ein spektakuläres Feuergefecht hinausgelaufen, und als die Polizei eintraf, fand sie nur noch einen Koffer voller Geld und vier Verwundete. Wie immer hatte keiner der vier Verletzten reden wollen. Sie verpfiffen nicht ein­mal ihre Feinde. Solche Geschichten machten oft die Runde, aber es geschah immer gerade irgendwo ums Eck oder just in ei­ner anderen Strage. Selbst bekam man diese spannenden Gefechte und die gefährlichen Männer nie zu Gesicht. Ich hatte Antonio Pellucci jedoch schon einmal in einer Zeitung gesehen, mit der ein Gast in The Cat herumgewedelt batte. Ein finsterer, kleiner Mann mit einem dünnen Schnurrbart. Ich batte mich gefragt, ob er überhaupt echt sei. Er sah so lächerlich typisch aus. Vielleicht hatten sie einfach einen düster aussehenden Typen gesucht, der perfekt dem Klischee entsprach, das wir von einem solchen Mafioso hatten. Das Gespräch über den bewussten Koffer ging unverdrossen welter, die Frauen kosteten die Geschichte aus. JoAnne schubste mich mit dem Ellenbogen an und grinste. Ich seufzte aus tiefster Seele.
Ich roch die Kerle, noch bevor sie sich auf die Stühle neben mich setzten. Sie hatten Brüder sein können. Sie waren breit­schultrig und trugen blaue Arbeitshosen und widerlich schmutzige, karierte Hemden mit aufgerollten Ärmeln. Draußen war es nur wenige Grad über null, aber Winterkleidung passte offen­sichtlich nicht zu ihrem rauen Image. Dennoch trugen sic beide Bine Strickmütze. Ihre Kleidung und Haare, Selbst ihre Münder verströmten einen Gestank nach verrottendem Fisch. Ihre Nägel und die Furchen in ihren Händen waren dunkelbraun von geronnenem Blut. Sie waren grob und ungehobelt. Und grauenhaft laut. Das waren die Typen, denen ich am liebsten zu Leibe rücken würde, aber ich wusste, dass ich mich das nie trauen würde. Sie waren zweimal breiter und einen Kopf größer als ich. JoAnne hatte meine Abneigung sofort gespürt. Ich verdrehte die Augen und sie kicherte.
Die Sachen, die heute verkauft werden sollten, wurden nach vorn geschleppt und ohne viel Umschweife dem Publikum präsentiert. Es waren vor allem die Herren hinten im Saal, die kauften. Wenn sie fur irgendetwas Interesse zeigten, gehörte es ih­nen schon beim zweiten Gebot. Manchmal dauerte es ein wenig länger. Aber bei Weitem die meisten Leute waren nur als Zuschauer hier. Ich fragte mich, welche Geschichten hinter all die­sen vorbeiziehenden Möbeln und Gegenständen steckten. Es versetzte mir einen Schock, als ich das erste Stück sah, das ich erkannte. Caseys Sekretär. Was hatten sie mit den Sachen gemacht, die wir darin gelassen hatten? Ich warf JoAnne einen Blick zu und sie schaute fragend zurück. Wir hatten doch hoffentlich alles Wertvolle herausgenommen? Ich hatte keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn der Sekretär ging für zwei Dollar an die Herren mit den Zylindern. Es wurde auch ein Bett ver­kauft, das von Casey hätte sein können, aber sicher war ich mir nicht. Ein Kleiderschrank folgte. Zwei Schemel, ein eiserner Bot­tich, für den die Herren kein Interesse zeigten – wahrscheinlich brauchten Immigranten ihrer Ansicht nach so etwas nicht. Eine Frau mit einem Kind auf dem Rücken kaufte die Wanne.
Unter lautem Gemurmel und entzückten Schreien wurde der Koffer von Antonio Pellucci herbeigebracht. Jeder wollte ihn sehen, aber nur wenige wollten ihn kaufen. Der Einstiegspreis war viel zu hoch. Schließlich wurde er von einem Mann erstanden, der aussah, al wäre er geradewegs von Coney Island entlaufen. Der würde den Koffer wahrscheinlich anschließend in einer Vitrine ausstellen und Schaugeld verlangen, bis er den Kaufpreis wieder drinhatte.
Ein ganze Haufen Kleidung­ wurde aus eine großen Sack auf einen Tisch geschüttet. Ein violetter Anzug und eine rote Krawatte hoben sich grell von den anderen Kleidungsstücken ab. Ich schluckte. JoAnnes Arm neben meinem erstartte.
»Schau mal, die sind von dieser fairy!« sagte einer der Fischausnehmer neben mir laut. »Verbrennen!« rief er nach vorn. »Niemand wil solche besudelten Fetzen kaufen!« Er hätte mir genauso gut einen Schlag ins Gesicht verpassen können. JoAnne ergriff meinen Arm, genau wie sie es bei French getan hätte, damit er nicht ausfällig gegenüber diesen Typen würde. Aber ich war zu bestürzt. Ich konnte nicht glauben, was dort geschah. Mein Herz raste in meiner Brust. Langsam wandte ich den Kopf, damit meine Augen sehen konnten, was meine Ohren hörten. Der Mann sah mich an. »Sind doch die typischen Klamotten von so einem Arschficker«, sagte er und blies mir beim Lachen einen Schwall Fischgestank entgegen. »Hat der sauer geguckt, als wir ihn mit Fischabfällen beworfen haben. Bin neugierig ob er die Flecken rausbekommen hat.«
»Werden wohl nicht die einzigen Flecken auf seinem Anzug gewesen sein.« Sein Kompagnon lachte dreckig. Ich wollte etwas sagen, aber ich konnte nicht. Ich musste hier weg. Ich stand so abrupt auf, dass mein Stuhl umkippte. Grob zwängte ich mich an den beiden Kerlen vorbei zumEnde der Reihe und stampfte wütend ins Freie. Ich wünschte mir eine Tür, die ich knallhart hätte zuschmettern können, aber das Hallentor war zur Seite geschoben. Draußen suchte ich nach etwas, gegen das ich treten konnte, aber es gab nichts, woran ich mir nicht den Fuß gebrochen hätte. Ich presste meine Hände fest gegen die Hallenmauer und schrappte mit meinen Handflächen über die rauen Backsteine, bis ich einen brennenden Schmerz empfand, der die Wut in mei­nem Körper ein wenig linderte. Ich spürte, wie sich Steinchen und Staub in die Wunden setzten. Als das Dröhnen in meinem Kopf nachließ, blieb eine nicht auszufüllende Leere zurück und meine Beine knickten ein. Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Mauer und ließ den Kopf auf die Knie sinken. JoAnne setzte sich neben mich, aber sie sage nichts. Warme Spuren zogen über meine Wangen.
»Warum sagen sie so etwas?«, fragte ich heiser, ohne eine Antwort zu bekommen. »Sie kannten ihn doch gar nicht« Ich schloss die Augen. »Sie kannten ihn nicht …« JoAnne legte einen Arm um mich und schmiegte ihren Kopf an meinen, sodass ich ihr Blu­menshampoo roch. Das war das einzig Richtige, was sie tun konnte. Sie schwieg. Sie wusste, was ich sagen wollte. Sie empfand und dachte dasselbe.
Langsam begann es zu schneien. Dicke schmelzende Flocken fielen auf meine Jacke und den Boden, aber sie blieben nicht liegen. Es war der erste Schnee des Jahres. Ich achtete nicht darauf, wir blieben einfach sitzen.
Wie lange es dauerte, bis die Auktion vorbei war, wusste ich nicht. Irgendwann setzte sich die Meute wieder in Bewegung. Manche schleppten ihre Beute mit sich. Andere schwatzten genau wie beim Hereinkommen liber Gott und die Welt und wuss­ten aller besser. Sie gingen mit ihrem Gestank und ihrem Lärm vorbei.
Nach einiger Zeit waren alle gegangen und ich hörte, wie das Tor zugeschoben wurde. Während der gesamten Zeit hatte JoAnne kein Wort gesagt und ihren Arm nicht wegbewegt. Der Fischgestank kam als letzter Schwall und zog weiter, ohne hängen zu bleiben. Ich schaute langsam auf und sah die beiden Kerle am Kai entlang in Richtung East River laufen.
»Warum will uns jeder treffen? Warum lassen sie uns nicht in Ruhe?«, grollte ich. War denn jeder gegen uns? Ich schüttelte JoAnnes Arm von mir und stand auf.
»Was hast du vor?«
»Ich will wissen, wohin sie gehen.«

Presse

Die Reaktionen

****Bitter

‘In einem Leben wie diesem’ ist die Fortsetzung zum Roman ‘Eine Welt dazwischen’ von der jungen niederländischen Autorin Aline Sax. Nachdem ich schon den ersten Roman von ihr verschlungen habe, habe ich diesen hier geradezu eingeatmet!

Mit dem vorliegenden Roman holt Aline Sax den Leser dort ab, wo sie ihn am Ende von Band 1 zurückgelassen hat, auch wenn seitdem zwei Jahre vergangen sind. Adrian ist fest in Jacks Freundeskreis integriert, verliebt wie am Anfang. Einer seiner Freunde ‘gewinnt’ aus einer Erbschaft die Bar, in der Adrian arbeitet und die Freunde planen, gemeinsam ein blühendes Geschäft daraus zu machen. Es soll eine Bar für schwules Publikum werden, und weil Homosexualität Anfang des letzten Jahrhunderts noch lange streng verboten war, musste das Etablissement bei der Zielgruppe bekannt werden, vor allen anderen jedoch geheim bleiben.

Doch die Freunde können das Geld, dass sie sich für den Aufbau der Bar aus zweifelhafter Quelle geliehen hatten, nicht pünktlich zurückzahlen und der große Traum erhält blutige Risse …

Während die Stimmung in Band 1 noch stetig besser und süßer wird, so wird sie in Band 2 von Seite zu Seite düsterer und bitterer. Und ich wünsche mir einen Band 3, in dem sich alles zum Guten wendet. Die romantische, und einfühlsam geschilderte Liebesgeschichte zwischen Adrian und Jack zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch, der gegen Ende mit jeder neuen Katastrophe rissiger und dünner wird.

Die Autorin schildert genau, wie die Figuren nach und nach gezwungen sind, eine moralische und gesetzliche Grenze nach der anderen auszuloten und zu übertreten. Und mit jeder Grenze wächst die Bereitschaft, eine weitere, gefährlichere hinter sich zu lassen. Faszinierend dabei ist, dass der Leser alles nachvollziehen kann. Man erkennt, dass die Figuren im Grunde gar nicht anders handeln können.

Am Ende beider Romane war ich tief betroffen. ‘In einem Leben wie diesem’ reißt den Leser in einer Spirale nach unten und lässt ihn am Ende hart auf dem dreckigen, eiskalten New Yorker Boden aufschlagen. Eine spannende Reise, für die man sich warm anziehen sollte…

Thomas Schmuhl, Amazon.de, 11. Juli 2009

♦♦♦

“In einem Leben wie diesem“ erzählt die Geschichte eines Schwulen in New York. Adrian ist Mitgründer der Schwulenbar „”The Fancy Cat“”. Um den Vertrieb anzukurbeln, leihen sie sich eine Menge Geld. Doch so schnell, wie die Verleiher es fordern, können sie ihre Schulden nicht begleichen und als sie am Fristtag die 1000 Dollar nicht parat haben, wird einer von ihnen, der farbenfrohe Casey, mit einem Messer übel zugerichtet und umgebracht. Am 1. Januar, so die Verleiher, ist der letzte Fristtermin, sonst sei der nächste der Gruppe fällig. Um die große Summe aufzutreiben, begehen Adrians Freund Jack und sein Kumpel Frenchy jede Menge Prügeleien und Überfälle. Und Adrian ist immer mit von der Partie. Ob als Täter oder nur als Mitläufer, dass weiß er selber nicht. Doch ihre gewalttätigen Raubzüge bleiben nicht ohne Folgen und schon bald richtet sich eine Welle von Hass gegen „”The Fancy Cat“”. Kann Adrians Freundschaft zu Frenchy und seine Liebe zu Jack die schwere Krise überdauern?
„”In einem Leben wie diesem”“ ist ein Buch, das man sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen empfehlen kann. Das Thema ist erfrischend anders und neu, denn ein Buch über Schwule und ihre verabscheute Position in den vereinigten Staaten gab es bisher noch nicht, oder kaum, auf dem deutschen Markt. Die junge Autorin begeistert vor allem mit ihrem ehrlichen, unverfälschten Schreibstil und die enge Beziehung zur Realität, die ihre Geschichten haben. Auch die Aufmachung des Covers gefällt mir sehr gut, denn es ist schlicht und dennoch aussagekräftig und passt gut zu der Geschichte. Ein tolles Buch vor der Kulisse New Yorks, das sich keiner im Alter von 14-99 Jahren entgehen lassen sollte. Ich vergebe 5 Sterne.

Julia Gurol (14 Jahre) – Kinder-Redaktion Buecherkinder.de

♦♦♦

“Amerika zu Beginn des 18. Jahrhundert: Adrian kommt ursprünglich aus Belgien, doch die Armut dort ist groß und so entscheidet er sich sein Leben zu ändern und ins “gelobte Land” zu reisen, denn dort ist die Chance auf ein wenig Geld weit größer als in seiner Heimatstadt. Nun lebt er dort glücklich mit seinem Freund Jack zusammen. Doch eines Tages bietet sich ihnen die Gelegenheit das große Geld zu machen; ein Freund, Robert hat die Kneipe, in der Adrian zuvor gearbeitet hat, aufgekauft und bietet nun ihm und noch ein paar Freunden an, sich die Arbeit und den Gewinn zu teilen. Alle sind begeistert und wollen das Lokal voller Tatendrang neu restaurieren und schön herrichten, doch das Geld fehlt … Da treibt Casey, einer der Freunde, das Geld doch noch auf unerklärliche Weise auf, jedoch nur geliehen. Durch einen bösen Zwischenfall können sie das Geld aber nicht zurückzahlen und merken, dass sie sich mit den falschen Leuten angelegt haben, der Mafia…! Es gibt einen Toten und ein Zeitlimit, das sie jegliche Grenzen der Moral und Weiterem vergessen lässt, denn die Angst vor dem Tod treibt sie fast in den Wahnsinn. Aber auch als sie das Geld zusammen haben, hört das Grauen nicht auf. Es ist wie in einem Teufelskreis, wer einmal in die Fänge der Mafia geraten ist, kommt nie mehr richtig frei. Und das merkt auch Adrian bald, denn die Strapazen belasten seine und Jacks Beziehung sehr. Letztendlich taucht die Frage in ihm auf, ob nicht ohne das Geld und dem Wunsch nach Reichtum alles besser gewesen wäre…
Das Buch “In einem Leben wie diesem” von Aline Sax lässt einen Jahre in die Vergangenheit reisen und fühlen, wie sich die Menschen damals gefühlt haben. Aber auch die andere Liebesbeziehung zwischen Adrian und Jack beschreibt sie feinfühlig und unglaublich realistisch. Die schonungslose Härte und Brutalität der Mafia, die vor nichts zurückschreckt wird hautnah und packend vermittelt, sodass der Leser tief in das Geschehen und die Geschichte von Adrian eintauchen kann. Es ist eins von diesen Büchern, die einen nicht mehr loslassen, wenn man sie liest und einen Tag und Nacht beschäftigen.
Meiner Meinung nach ist dieses Buch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren geeignet und ich vergebe volle 5 Sterne, weil ich denke, dass es sich diese durch seine außergewöhnliche Spannung und Realistik auch wirklich verdient hat!

Rahel Chiwitt (15 Jahre) – Kinder-Redaktion Buecherkinder.de

♦♦♦

In einem Leben wie diesem

Amerika – das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein Land der Liebe, der Zukunft, der Sehnsüchte. Das Land der Vorurteile, der Unterdrückung und Diskriminierung. Amerika als Leitstern und als Endstation einer Traumwelt.

Amerika hat zwei Gesichter, wie das Leben selbst. In unserem Leben werden wir immer wieder vor die Wahl gestellt und, egal wie wir wählen, jede Möglichkeit hat ihre guten und schlechten Seiten. Aline Sax‘ erstes Buch „Eine Welt dazwischen“ endet mit einer Entscheidung. Ihr Folgeroman „In einem Leben wie diesem“ ist eine weitere Geschichte einer solchen Entscheidung.

Der Protagonist Adrian lebt mit seinem festen Freund Jack und zwei weiteren Freunden, French und JoAnne, zusammen. Mit French arbeitet Adrian in einer Bar, deren Gäste hauptsächlich aus der homosexuellen Szene New Yorks stammen. Eines Tages beschließt Robert, der Besitzer der Bar, diese gemeinsam mit seinen Freunden in ein stadtbekanntes und schöneres Lokal namens „The Fancy Cat“ zu verwandeln. Das Geld für die Renovierungen leiht sich Casey, ein weiterer Mitarbeiter der Gaststätte, von einem fremden Gönner, dem er das Geld seinerseits durch seinen reichen Freund Harwood zurückzahlen will.

Doch Harwood wird wegen seiner Beziehung zu einem minderjährigen Jungen urplötzlich verhaftet und kann Casey somit nicht mehr unterstützen. Dieser jedoch braucht dringend Geld, um seinen geheimnisvollen Finanzier zu bezahlen. Als dies nicht gelingt, erkennen die Freunde erst viel zu spät, auf welchen Handel sie sich dabei eingelassen haben: Casey wird von seinen Gläubigern ermordet. Auf diese erste Warnung hin folgt ein Drohbrief: Die Besitzer der Bar sollen binnen drei Monaten 1200 Dollar an Caseys Mörder und Gläubiger zahlen – für die damaligen Verhältnisse ein unglaubliches Vermögen.

Doch letzten Endes ist es nicht die Beschaffung des Geldes, die die Freunde ins Unglück stürzt. Denn French kann seine Rache nicht vergessen. Als er herausfindet, wer Casey umgebracht hat, folgt er dem Mörder und bringt diesen um – eine folgenschwere Handlung, denn der Ermordete war ein Mitglied der Pellucci-Familie, die im damaligen New York der heutigen Mafia entsprechen. Die Konsequenzen folgen promt: Die Bar „The Fancy Cat“ und somit alles, worauf Adrian und seine Freunde hingearbeitet haben, wird in Brand gesteckt.

Adrian, Jack, French und JoAnne fliehen und müssen, da die Pelluccis ihre Wohnung überwachen, in einem kleinen Speicher unterkommen. In dem viel zu kleinen Raum und durch die ständige Gefahr werden die Probleme unter den Freunden immer deutlich sichtbarer. JoAnne fühlt sich ausgeschlossen, da French und Jack oftmals alleine losziehen, um Geld zu beschaffen, während Adrian nicht ertragen kann, dass Jack seinen Körper an andere Männer verkauft, um Geld zu verdienen. Als JoAnne schließlich resigniert und Adrian sich durch die Gewaltbereitschaft seiner Freunde abgestoßen fühlt, spitzen sich die Konflikte zwischen den drei Freunden zu, bis sie schließlich zu ihrem Höhepunkt geraten: Robert, der Leiter von „The Cat“, wurde von den Pelluccis gefangen genommen – als Austausch für die Geisel verlangen sie French. Zu diesem Zeitpunkt erkennt Adrian schließlich, wie sehr die letzten Ereignisse seine Beziehung und seine Freunde selbst verändert haben, und trifft eine Entscheidung.

Aline Sax vereinigt in ihrem Buch „In einem Leben wie diesem“ viele verschiedene Thematiken. Offensichtliche Inhalte sind natürlich das Leben in den Vereinigten Staaten während des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, aber auch Homosexualität, Diskriminierung und Akzeptanz in der Gesellschaft und nicht zuletzt die Liebe. Die Autorin hat sich dabei jedoch bewusst von dem Motiv des „American Dream“ aus ihrem ersten Buch gelöst und in dem zweiten Band der Reihe nicht die Träume, die durch die Umwelt und durch äußere Einflüsse zerstört werden, sondern die Träume, die der Mensch sich selbst zerstört, in den Mittelpunkt gestellt. Dies ist ausgesprochen überzeugend gelungen, da sich dadurch die Fortsetzung vom ersten Band unterscheidet, aber auch genügend Parallelen liefert, um an den ersten Roman anzuknüpfen. Denn beide Geschichten verbindet der gleiche Grundgedanke: Auch in Aline Sax‘ neuem Buch wird der Protagonist am Ende genau wie im ersten Band vor eine Entscheidung gestellt, während er die ganze Geschichte hindurch noch die Folgen seiner früheren Entscheidungen zu tragen hat.

Ein weiteres sehr gut umgesetztes Motiv ist der Zusammenhalt der Gruppe und der zunehmende Hass und die sich steigernde Brutalität gegen Feindbilder, aber am Ende auch gegen alle Personen, die sich nicht mit der eigenen Gruppe identifizieren können. French, der beispielsweise sein ganzes Leben lang zu einer unterdrückten und nach Belieben misshandelten Gruppe von Menschen gehörte, genießt es, mit einer verschworenen kleinen Gemeinschaft Verbrechen auszuüben und Macht über andere Leute zu haben. Dieses Thema kann mitunter am besten überzeugen, vermutlich weil man es in diesem Buch nicht erwartet hätte.

Der Sprachstil ist einfach, aber nicht zu hölzern, sodass das Buch sehr leicht zu lesen ist, aber nicht langweilt. Hin und wieder findet man auch englische Gedichte, für die Adrian und French eine Leidenschaft hegen und die geschickt an einigen Stellen der Geschichte einfügt werden.

Allerdings wurde das Buch gerade durch die einfache Sprache und das ab und zu eindeutige Zusteuern auf ein kurzzeitiges Happy End für manche Momente zu einer flachen, klischeehaften Liebesgeschichte. Da das vorzeitige gute Ende aber schnell von anderen Ereignissen überschattet wird, steht dieser Umstand vielleicht nur allegorisch für Wünsche, die man sich, auch wenn man schon am vermeintlichen Ziel angekommen ist, beängstigend schnell selbst zunichte machen kann.

Das empfehlenswerte Buch „In einem Leben wie diesem“ führt den Leser fesselnd in Adrians Amerika und in eine Welt der Träume, Liebe und Ängste. Es ist eine sehr schöne, durchdachte und ansprechende Geschichte, die viele verschiedene Aspekte vereinigt. Gerade diese Mischung macht den Charakter des Buches aus. Andererseits können manche Themenbereiche dadurch auch nur kurz angesprochen werden, was für manche Leser sicherlich störend wirken kann. Deshalb verleihe ich dem Roman vier von fünf Lesepunkten.

Daniel Hektor, Lesepunkte, Nr. 2, April 2009

♦♦♦

In einem Leben wie diesem
Für Adrian und seine Freunde wird ein grosser Traum wahr. Sie können eine geheime Bar für homosexuelle Männer in New York übernehmen und neu gestalten. Doch dafür brauchen sie Geld, das Casey sich von irgendjemandem ausleiht. Ihr „Fancy Cat“ wird ein Erfolg, doch sie können das ausgeliehene Geld nicht rechtzeitig zurückzahlen. Casey wird von der italienischen Mafia in New York ermordet und die jungen Männer erhalten eine neue Frist für die Rückzahlung des Geldes. Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit und die Betreiber des Fancy Cat müssen auch auf illegalen Wegen zu ihrem Geld kommen. – Nachdem im 1. Band Adrians Auswanderung und seine Liebe zu Jack die zentralen Themen waren, stehen in der Fortsetzung Mord und Verfolgung im Vordergrund. Nicht so mitreissend wie im ersten Band öffnet sich im zweiten Band wieder die unbekannte Welt der Homosexuellen im diesmal verbrecherischen New York von 1912. Eindrücklich dargestellt ist Adrians Ringen mit sich selbst um richtig oder falsch. Die Frage, ob einer Minderheit, für die sich niemand einsetzt, angetane Gewalt Gegengewalt rechtfertigt, beschäftigt Adrian und die Leser. Als Fortsetzung empfohlen, denn das Buch widerspiegelt unseren Umgang mit Minderheiten und regt an, darüber nachzudenken.

Karin Schmid, im Rezensionszeitschrift Bücherbär (Kinder- und Jugendmedien Bern-Freiburg, 24.11.2008)

♦♦♦

Mehr Leserrezensionen auf Amazon

♦♦♦